Insolvenz des Energieanbieters: Warum günstig unter dem Strich doch teurer werden kann …

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Warum günstig unter dem Strich doch teurer werden kann…

von Linda Madir (Leiterin Vertrieb MONTANA)

Kurz vor Jahresende 2018 hatte es viele Hausverwalter kalt erwischt: Die Deutsche Energie GmbH (DEG) stellte die Versorgung ihrer Kunden mit Erdgas und Strom von einem Tag zum anderen ein. Hintergrund war, dass die DEG gegenüber mehreren Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern in Zahlungsverzug geraten war, worauf hin diese die Zusammenarbeit aufkündigten. Damit war die DEG nicht mehr in der Lage, ihre rund 50.000 Kunden zu beliefern und musste Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Für Immobilienverwalter, die Lieferverträge mit der DEG abgeschlossen hatten, bedeutete das, dass sie mit ihren bei der DEG unter Vertrag stehenden Lieferstellen in die Ersatzversorgung des örtlichen Grundversorgers rutschten.

Ende Januar dann der nächste spektakuläre Fall: Die BEV Energie, die durch äußerst aggressive Lockvogel-Angebote für Privatkunden und massive Preiserhöhungen bei bestehenden Verträgen aufgefallen war, meldete Insolvenz an. Auch die BEV musste die Belieferung umgehend einstellen, die Kunden fielen in die gesetzliche Ersatzversorgung und warten seither auf die Auszahlung zugesagter Boni oder Guthaben.
Weitere Insolvenzen kleinerer Anbieter wie Econsum oder Energycoop folgten im Frühjahr 2019.

Sowohl bei der DEG als auch bei der BEV ist ein langwieriges und komplexes Insolvenzverfahren zu erwarten: Im Fall der BEV hat inzwischen auch die Schweizer Muttergesellschaft Insolvenz angemeldet, womit Forderungen in dreistelliger Millionenhöhe, die seitens der BEV gegen die Muttergesellschaft bestanden, ausfallen und die Chancen der BEV-Gläubiger auf Befriedigung ihrer Forderungen schwinden. Bei der DEG hingegen wurde ursprünglich eine Insolvenz in Eigenregie angestrebt, der Antrag später jedoch wieder zurückgezogen. Auf Antrag eines Gläubigers wurde danach ein neues Insolvenzverfahren angeordnet.

Für die Gläubiger – zu denen auch zahlreiche Hausverwaltungen und WEG-Gemeinschaften gehören, weil sie zuletzt noch Vorauszahlungen geleistet hatten oder weil sie einen Guthabenanspruch aus der Jahresverbrauchsabrechnung haben – eine sehr missliche Lage.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr Geld wiederbekommen, ist gering. Bestenfalls werden sie ihr Guthaben nur zum Teil und erst Monate später wiederbekommen. Hinzu kommt, dass viele in einer solchen Situation nicht wissen, was zu tun ist und wie die Energieabrechnung genau erfolgt.
Fällt ein Energieversorger aus, springt automatisch die Ersatzversorgung durch den örtlichen Grundversorger ein. Bekanntlich sind die Ersatzversorgungstarife jedoch teuer, so dass nicht unerhebliche Mehrkosten drohen. Betroffene Kunden sollten daher möglichst schnell Kontakt mit seriösen Energieanbietern aufnehmen, um sich eine Energieversorgung zu marktgerechten Konditionen zu sichern und Mehrkosten in Grenzen zu halten.

Bei Verträgen ohne Leistungsmessung kann der Wechsel zu einem neuen Anbieter auch bis zu sechs Wochen rückwirkend erfolgen, so dass sich die Ersatzversorgung umgehen lässt. Bei Kunden mit Leistungsmessung, sogenannten RLM-Kunden, ist der Wechsel rückwirkend nicht möglich. Er bedarf eines größeren Vorlaufs, so dass der Wechsel in der Regel erst bis zu vier Wochen nach Beauftragung stattfinden kann.

Wie konnten die Anbieter in solche Schieflagen kommen?

Bei Kennern der Energiebranche hält sich die Verwunderung über die jüngsten Insolvenzfälle in Grenzen. Wer jeden Preiskampf mitgeht, verhält sich hochspekulativ. Risiken, die sich durch die Marktbewegungen an den Energiebörsen ergeben, können dann schnell existenzgefährdend werden – wenn bei der Angebotserstellung nicht nachhaltig marktnah kalkuliert wird, wenn die kontrahierten Mengen nicht im Vorfeld eingedeckt werden und Risiken nicht eingepreist werden, die sich durch Abweichungen bei den Abnahmemengen, durch Witterungseinflüsse und andere Faktoren ergeben können. Die Leistungsfähigkeit eines Energieanbieters manifestiert sich eben genau darin, diese Beschaffungsrisiken sorgfältig zu managen und keine Spekulation zu betreiben, deren Kosten am Ende zu Lasten des Kunden gehen können. Auch die Zusammenarbeit mit renommierten Vorlieferanten, die über eine exzellente Bonität verfügen, macht einen Energielieferanten zu einem verlässlichen Partner seiner Kunden.

Im Ergebnis müssen die Risiken durch Marktentwicklungen soweit minimiert werden, dass sie die wirtschaftliche Stabilität des Energieversorgers nicht gefährden – und damit nicht auf den Kunden zurückfallen können. Wenn der Markt, wie in 2018 geschehen, zu lange nicht dagewesenen Höhenflügen abhebt, wird die Luft eng für jene Anbieter, die kein solides Risikomanagement verfolgen. Und für die Kunden können die Günstigpreise am Ende trotz mehrjähriger Fixpreisvereinbarung teuer werden. Weil sie durch die Insolvenz ihres Anbieters nicht nur in die Ersatzversorgung fallen und möglicherweise zu spät reagieren. Sondern vor allem auch deshalb, weil die Chance, die ihnen ein günstigeres Marktniveau in der Vergangenheit bot, vielleicht verspielt ist und sie sich möglicherweise in einer Hochpreisphase vorzeitig einen neuen Versorger suchen müssen. Das sollten die aktuellen Fallbeispiele lehren.

Energieanbieter insolvent – was tun?
• Zunächst: Keine Panik – die Versorgung mit Strom und Erdgas ist gesetzlich sichergestellt und erfolgt durch den örtlichen Versorger, ohne dass Sie dafür einen Auftrag erteilen müssen.

• Da die Ersatzversorgung teuer ist: Kümmern Sie sich dennoch möglichst rasch um einen neuen Liefervertrag bei einem neuen Versorger. Der neue Versorger übernimmt die Anmeldung beim Netzbetreiber und stellt sicher, dass Sie so zeitnah wie möglich aus dem Ersatzversorgungstarif in einen neuen, günstigeren Tarif wechseln.

• Widerrufen Sie vorhandene Lastschriften, die Sie Ihrem alten Versorger erteilt haben.

• Die Schlussabrechnung wird vom Insolvenzverwalter erstellt. Eine Nachforderung müssen Sie zahlen. Ein Guthaben erhalten Sie vorerst nicht erstattet, Sie müssen es zur Insolvenztabelle anmelden.

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